Nach den erfolgreichen Sondierungsgesprächen von SPD, Grüne und FDP im Oktober, laufen gegenwärtig die Koalitionsverhandlungen zwischen den drei Parteien. Im Sondierungspapier steht zwar nichts zu einer geplanten Legalisierung von Cannabis, dennoch hat die Debatte in den letzten Wochen Fahrt aufgenommen und die Hoffnung ist nicht nur bei Konsument:innen groß, dass eine Ampel-Koalition endlich den Weg frei für eine liberalere Haltung machen könnte. Wir verfolgen die Entwicklung natürlich mit großem Interesse und sprechen uns bei einer Legalisierung für die kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten in Fachgeschäften – wie CANNA BERLIN – aus.
Cannabis-Legalisierung in der Mitte der Gesellschaft angekommen
Laut dem Deutschen Hanfverband (DHV) konsumieren in Deutschland mehr als vier Millionen Menschen Cannabis. Lediglich bei einem kleinen Teil davon ist der Konsum als problematisch einzuordnen, noch weniger Konsument:innen entwickeln gar eine Abhängigkeit. Dennoch wird Cannabis von Teilen der Politik als Teufelszeug verstanden. Die Verfolgung von Konsument:innen kostet den Steuerzahler jedes Jahr einen Milliardenbetrag. Das Cannabis-Verbot geht an den Lebensrealitäten der Bevölkerung vorbei und darunter leidet nicht zuletzt der Jugendschutz: Der Schwarzmarkt interessiert sich weder für die Qualität von Cannabis noch für das Alter der Käufer:innen oder deren Konsumgewohnheiten. Kurzum: Das Verbot hat im Grunde sein wichtigstes Ziel nicht erreicht – die Verringerung von Angebot und Nachfrage.
Der DHV fordert, dass das politische Ziel vielmehr die Erziehung zur Drogenmündigkeit sein müsste, die die Menschen dazu befähigt, bewusst und selbstbestimmt mit Cannabis umzugehen. Der Verband sieht 5 wesentliche Vorteile bei einer Cannabis-Legalisierung:
- Konsument:innen könnten sich jederzeit über die Qualität und den Wirkstoffgehalt informieren und wären vor teilweise höchst gesundheitsgefährdenden Streckmitteln und Verunreinigungen im Cannabis geschützt. Dem Schwarzmarkt wäre der Boden entzogen.
- Der Jugendschutz könnte viel wirksamer greifen, da Cannabis nur unter geregelten Umständen verkauft werden dürfte.
- Die soziale Kontrolle wäre ebenso möglich wie das soziale Erlernen ungefährlicher Konsummuster.
- Die Menschen in Deutschland wären nicht mehr gezwungen, ihren Konsum zu verheimlichen. Dadurch könnte gerade der problematische Konsum schneller erkannt werden und entsprechende Hilfsangebote könnten besser greifen.
- Der Staat könnte zusätzliche Steuern einnehmen und legale Arbeitsplätze schaffen. Zudem entfielen hohe prohibitionsbedingte Kosten bei Polizei und Justiz.
In der deutschen Bevölkerung hat sich die Stimmung zur Legalisierung von Cannabis deutlich gewandelt. In der kürzlich veröffentlichten Umfrage von Infratest Dimap, die der DHV seit 2014 jedes Jahr in Auftrag gibt, hat sich zum ersten Mal eine relative Mehrheit für die Cannabis-Legalisierung ausgesprochen. Zwar ist eine absolute Mehrheit mit 49 zu 46 Prozent noch nicht erreicht, die Tendenz ist trotzdem deutlich. Denn 2014 lag die Zustimmung noch bei lediglich 30 Prozent. Der DHV wertet dieses Ergebnis zurecht als starkes Signal an SPD, Grüne und FDP die Abgabe von Cannabis in einem möglichen Koalitionsvertrag festzuhalten.
Grüne und FDP: Große Überschneidungen bei Haltung zu Cannabis-Legalisierung
Die Hoffnung, dass Cannabis bald legalisiert werden könnte, kommt nicht von ungefähr. Schließlich unterstützen gerade Grüne und FDP die vom DHV formulierten Argumente und fordern in ihren Wahlprogrammen die Abgabe von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften für volljährige Personen. Die Grünen schreiben in ihrem Wahlprogramm, dass das derzeitige Verbot mehr Probleme schafft, als es löst. Sie wollen den Schwarzmarkt eindämmen und mit einem Cannabiskontrollgesetz, das auf einem strikten Jugend- und Verbraucherschutz basiert, einen regulierten Verkauf ermöglichen.
Auch die FDP spricht davon, dass ein kontrollierter Verkauf den Jugendschutz gewährleistet und gleichzeitig die Qualität kontrolliert und die Weitergabe von verunreinigten Substanzen verhindert. Weiter heißt es im Wahlprogramm der Liberalen, dass bei einer ähnlichen Besteuerung wie bei Tabak, jährlich bis zu einer Milliarde Euro eingenommen werden können. Die zusätzlichen Einnahmen sollen dann für Prävention, Suchtbehandlung und Beratung eingesetzt werden.
Die SPD sieht in ihrem Wahlprogramm Cannabis als „eine gesellschaftliche Realität“ und verlangt einen adäquaten politischen Umgang damit. Nebst einer Entkriminalisierung, sprach sich die Partei aber bislang erstmal für Modellprojekte mit Präventions- und Beratungsangeboten aus. Während der Sondierungsgespräche und im Rahmen der aktuellen Debatte zeigten sich aber auch Politiker:innen aus den Reihen der Sozialdemokraten offen für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis, wie sie Grüne und FDP fordern. Dies verstärkt die Aussicht darauf, dass tatsächlich ein liberaler Umgang mit Cannabis in einem möglichen Koalitionsvertrag verankert wird.
Unsere Forderung: Abgabe von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften
Auch wenn das Sondierungspapier sowohl Aussagen zu einer Entkriminalisierung als auch zu einer Legalisierung von Cannabis vermissen lässt, hat auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner im Oktober seine positive Haltung für eine kontrollierte Abgabe betont. Allerdings äußerte er sich skeptisch gegenüber „Coffeeshops nach niederländischem Vorbild“ und präferiert einen Verkauf in Apotheken mit Verweis auf die Gesundheitsaufklärung.
Wir sind klar der Meinung, dass bei einer Legalisierung die Abgabe von Cannabis in den Fachgeschäften stattfinden soll. Im Sinne einer freien sozialen Marktwirtschaft muss es Cannabisunternehmen, die ja heute schon vielerorts in Deutschland existieren, ermöglicht werden, sich am Markt zu behaupten. Den Kund:innen können Fachgeschäfte auch weitere Bedarfsartikel – beispielsweise Blättchen – direkt zur Verfügung stellen. Außerdem bieten sie verschiedene Cannabisprodukte an und können Kund:innen umfassend entlang des gesamten Sortiments – von CBD-Ölen und Lebensmitteln bis hin zu Kosmetikartikeln und Fachliteratur – beraten.
Die Fachgeschäfte kennen sich mit der Wirkung und Anwendung von Cannabisprodukten aus und können dadurch Kund:innen nicht nur optimal beraten und aufklären, sondern auch individuelle Fragen beantworten und spezifische Bedürfnisse abdecken. Das vorhandene Fachwissen und gerade auch die Atmosphäre eines „Coffeeshops“ sehen wir bei der Präventionsarbeit vielmehr als großes Plus. In einem Umfeld, das als „Safe Space“ wahrgenommen wird, fühlen sich gerade Hilfesuchende, die bei sich Sucht-Anzeichen bemerken, wohler und sind offener dafür, Unterstützung zu suchen und anzunehmen.
Wir glauben, dass Apotheken vielerorts neben ihrem Hauptgeschäft – vor allem in Großstädten – den zusätzlichen Kundenandrang gar nicht bewältigen könnten. Hinzu kommt, dass in mancher Apotheke das Fachwissen nicht umfassend genug vorhanden ist, und zuerst aufgebaut werden müsste. Die Abgabe von Cannabis in Apotheken könnte in ländlicheren Gegenden durchaus eine Chance sein, da Fachgeschäfte, wie wir sie hier in Berlin kennen, dort rar sind oder gänzlich fehlen. Deshalb sehen wir die zurecht von Christian Lindner geforderte „gesundheitliche Aufklärung“ nicht nur als mögliche Aufgabe von Apotheken, sondern, wo dies möglich ist, vor allem von den etablierten Cannabis-Fachgeschäften.
Wir von CANNA BERLIN unterstützen auch die Forderung der Bundesvereinigung Nachhaltigkeit (BVNG), den klimafreundlichen Nutzhanf im Koalitionsvertrag zu berücksichtigen. Nutzhanf gilt als Rohstoff für Baustoffe, industrielle Werkstoffe, Lebensmittel und Textilien, speichert immense Mengen an CO2 und braucht wenig Wasser. Der BVNG verlangt die Erhöhung des THC-Grenzwertes von derzeit 0,2% in auf 1%, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits der Fall ist. Damit wird der Anbau von Nutzhanf nicht nur erleichtert, Deutschland wird auch wettbewerbsfähiger und ländlichen Regionen werden gestärkt und Arbeitsplätze gesichert.